Nach einer Mitgliederumfrage zur „Preissteigerung von Gewürzen“, zu der der Fachverband der Gewürzindustrie im August aufrief, stiegen die Frachtkosten seit Jahresanfang 2020 um durchschnittlich 520 Prozent. Als Gründe wurden vor allem die bekannte Container-Knappheit genannt, aber auch mangelnde Frachtkapazitäten, gestaute oder komplett gesperrte Häfen und andere Folgen der Pandemie. „Gerade im asiatischen Raum, speziell in China, sind wir froh, wenn unsere Ladung überhaupt auf einen Frachter gelangt“, berichtet Thomas Friedrich, Einkaufsleiter eines großen deutschen Gewürzveredlers.
„Unsere Naturprodukte konkurrieren mit hochpreisigen Computer- oder Technikteilen, so sind wir gezwungen, jeden Preis, der aufgerufen wird, zu zahlen“, erzählt er weiter. „Ansonsten bleibt die Ware eben da.“ Während der Frachtkostenanteil bei einer Tonne Knoblauch beispielsweise im letzten Jahr noch bei drei Prozent gelegen hätte, so ist er mittlerweile bei 20 Prozent angekommen. „Fragen Sie nicht nach der weiteren Entwicklung, die ist eine Wundertüte. Wir stehen in einem extremen internationalen Beschaffungswettbewerb und sehen kein Licht am Ende des Tunnels.“
Mit einer Entspannung rechnen auch die Teilnehmer der Umfrage nicht vor Mitte 2022. Sie verzeichnen stattdessen auch bei den Rohwaren, bei Gewürzen und Kräutern, erhebliche Preissteigerungen: Die häufigsten Angaben, die seitens des Fachverbands gemacht wurden, liegen zwischen 20 und 50 Prozent, aber auch 100 Prozent sind dabei. Tendenz: weiter steigend. „Eigentlich sind alle Gewürze betroffen. Die Steigerungen sind unterschiedlich, aber es gibt kaum ein Gewürz, welches keine Preissteigerung erfuhr“, heißt es in einem Kommentar. Und genau hier liegt die Besonderheit der gegenwärtigen Situation: Wenn früher ein Produkt, eine Anbauregion betroffen war, dann ist es jetzt – nahezu – die ganze Welt. „Die Preise gehen steil nach oben und das auf breitester Front“, bestätigt auch Friedrich. „Ich bin seit über zehn Jahren dabei, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt.“
Die Ursachen, die die Rohstoffpreise in die Höhe treiben, fallen – so besagte Umfrage – absolut vielfältig aus: steigende Lohn- und Energiekosten, ein coronabedingter Mangel an Erntehelfern (Reiseverbote für Wanderarbeiter), Ernteausfälle durch extreme Hitze, Trockenheit und Brände im Zuge des Klimawandels, aufwendige Anbau- und Analyseverfahren infolge strenger lebensmittelrechtlicher EU-Vorgaben, Spekulationen – um nur einige Beispiele zu nennen. Ein erheblich gestiegener Aufwand für Verpackungsmaterialien und die unternehmenseigene Energieversorgung kommen noch obendrauf.
„Zudem steigt die weltweite Nachfrage nach Gewürzen, gerade im asiatischen Raum, und das Angebot hält nicht mit“, erklärt Friedrich. Stattdessen führe der wachsende Wohlstand in den Erzeugerländern zu einem spürbaren Arbeitskräftemangel. „Ich erinnere mich noch gut an meinen letzten Aufenthalt auf den Bangka Island im Indischen Ozean“, führt er an einem Beispiel aus. „Noch vor ein paar Jahren wuchs dort Pfeffer in großen Mengen, viele Einheimische arbeiteten auf den traditionell bewirtschafteten Plantagen. Heute will kaum noch jemand Pfeffer pflücken, die neuen Jobs, die außerhalb der Landwirtschaft entstanden sind, ziehen die Leute ab.“
Gewürzanbau basiert aber per se auf Handarbeit, gerade in den Tropen, Maschineneinsatz wie etwa im Getreideanbau ist nicht möglich. Wenn es um Flächenverteilung geht, haben die sensiblen Naturprodukte leicht das Nachsehen. „Die heutigen Farmer verhalten sich wie Geschäftsleute“, weiß der Gewürzexperte, „da wird genau auf den Markt geschaut.“ Gleiches gelte auch für die Exporteure. Aktuelles Beispiel: Senfkörner. In vermahlener Form gehören sie in viele Currys und andere Gewürzmischungen. „Durch die verheerenden Waldbrände in Kanada fehlen uns enorme Mengen“, erklärt Friedrich, „was dazu führt, dass die Osteuropäer ihre Ernte zurückhalten. Sie bauen bewusst Marktdruck auf.“ Denn neben Kanada liegen in Osteuropa die weltweit größten Anbauflächen für Senf. „Das ist Globalisierung.“
Für Friedrich ist der gesamte Gewürzmarkt volatil geworden, unbeständig und extrem, wie das Wetter. Wobei: „Noch sind die Regale voll, noch gibt es keine Ausfälle.“ Dass es so bleibt, daran arbeiten er und seine Branchenkollegen jeden Tag mit deutlich zunehmendem Aufwand. „Trotzdem werden die Preissteigerungen am Ende des Tages die Verbraucher zahlen müssen, daran führt kein Weg vorbei.“
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