Streuobstwiesen mit ihren knorrigen Baumriesen prägen die Landschaft. Zwischen ihren Stämmen: Kräuter, Sträucher und Blumen. Regionale Apfel- und Birnensorten wie Boskoop, Roter Berlepsch und der „Wildling von Einsiedel“, eine kleine Mostbirne, ernten die hiesigen Bauern noch von Hand. Das tanninreiche, herbe Fruchtaroma und seine intensive Frische machen dieses Obst zum idealen Rohstoff für Destillate und Schaumweine. Jörg Geiger, ein gebürtiger Schwabe, hat sich mit seiner Manufaktur ganz der aromatischen Vielfalt dieser Naturidylle verschrieben und verarbeitet Wiesenobst mit feinen Kräutern und Gewürzen zu trinkbarem Genuss – mit und ohne Alkohol.
Geiger hat sein ganzes Leben dem Streuobst gewidmet. Er hat die teils jahrhundertealten Sorten in antiken Büchern studiert, traditionelle Techniken der Verarbeitung wiederentdeckt und neue entwickelt, um die besonderen Geschmacksnoten der Früchte herauszukristallisieren. Dabei ist das Obst ein rares Gut: Die alten Baumarten brauchen bis zu zehn Jahre, um vollständig zu tragen. Ihre Pflege fällt arbeitsintensiver aus als die von Plantagenobst, und der Ertrag ist unregelmäßig. Geiger zahlt seinen Bauern einen guten Preis, damit sich die Mühe lohnt. Und er setzt sich mit seinem Verein „WiesenObst“ für den Erhalt von Streuobstwiesen ein, bilden sie doch ein wichtiges Refugium für viele Insekten- und Vogelarten.
Gebrannt wird im „Gasthof Lamm“ in Schlat bei Göppingen, der seit dem 17. Jahrhundert im Besitz seiner Familie ist. Ursprünglich wollte Geiger Landwirt werden, wie sein Vater. Aber es kam anders und heute vertreibt er seine Destillate und Obstweine deutschlandweit. Nach Hause, an den Rand der Schwäbischen Alb, kehrte er mit Anfang 20 zurück, nach seiner Ausbildung als Koch, einem Abschluss als Betriebswirt und einem Aufenthalt in Frankreich. 1995 begann Geiger damit, aus einer fast vergessenen Obstsorte, der Champagner-Bratbirne, Schaumwein herzustellen und auf den Markt zu bringen. Es folgte ein jahrelanger Rechtsstreit mit den französischen Champagnerherstellern: In seinem Verlauf kann er beweisen, dass der Sortenname älter ist als der Schutz der Marke Champagner. Bereits 1760 wurde die Herstellung von Schaumwein aus dem Obst urkundlich beschrieben. Die Champagner-Bratbirne durfte ihren Namen behalten und der aus ihr hergestellte Schaumwein gehört seitdem zu den erlesenen Spitzenprodukten der Manufaktur.
Auf diesen ruht sich Jörg Geiger aber nicht aus, sondern arbeitet mit seinen Sommeliers an immer neuen Kreationen. Dabei besteht die Kunst des Destillierens darin, das volle Bukett der Frucht und aller Ingredienzien genau zum richtigen Zeitpunkt im Alkohol zu fixieren. So überraschen die alkoholfreien Proseccos des Hauses mit einer fein abgestimmten Kombination aus zugesetzten Kräutern, Blüten und Gewürzen. Unter ihnen: Dill, Estragon, Thymian, Waldmeister, Minze und Zitronenverbene. Früchte wie Stachelbeere und Sauerkirsche kommen hinzu, ebenso, wer hätte es gedacht, Rote Bete, Staudensellerie und Topinambur. Mutig abgestimmt mit Meersalz oder rotem Senf. Besonders viele Kräuter stecken in Geigers Gin auf Apfelbrandy-Basis: 77 Botanicals wie M.desü., Schafgarbe, Weißdorn und Hagebutte akzentuieren ihn. Das sorgt für eine Komplexität im Geschmack, die selbst Spitzengastronomen zu schätzen wissen.
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