Vom indischen Kari zum britischen Curry

Als sich das British Empire einst Indien einverleibte, da trafen zwei Esskulturen aufeinander, die unterschiedlicher nicht hätten sein können: Auf der einen Seite standen die frischen, gemüseliebenden und intensiv gewürzten Gerichte Südasiens, auf der anderen gab es die fleischlastige und durch schwere Mehlschwitzen bestimmte Küche der Engländer. Ihr gemeinsames Produkt: das Curry-Pulver.
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Die angelsächsische Curry-Begeisterung, die spätestens im 19. Jahrhundert um sich griff, mag auf die einsamen Wölfe zurückgehen, die im Auftrag der East India Company einst nach Indien kamen: Händler und Beamte, die sich ab dem 17. Jahrhundert über das riesige Land verstreuten. Auf sich allein gestellt, fern der britischen Kultur nahmen sich die „Indians“ rasch der Landessitten an. Sie heirateten einheimische Frauen, kleideten sich leger und aßen, im Zuge ihres „going nativ“, auch die lokalen, so völlig andersartigen Speisen. Das blieb nicht ohne Folgen: Bereits 1747 tauchten erste indische Rezepte, die im Gepäck pensionierter Angestellter der East India Company im Königreich anlandeten, in einem englischen Kochbuch auf. Es war der Adel, der sich zunächst für sie interessierte.

Im Gefolge der East India Company und der britischen Kolonialherrschaft, 1877 wurde Königin Viktoria zur „Empress of India“, kamen immer mehr Angelsachsen nach Südasien. Es entstand die anglo- indische Küche, symbolisiert durch die legendäre Mulligatawny-Suppe: eine einheimische Brühe aus Pfeffer und Tamarinde, die der indische Koch des Hauses mit etwas Gemüse, Fleisch und weiteren Gewürzen ausbaute. Sie entstand aus der kolonialen Erwartung, dass eine Mahlzeit zwangsläufig mit einer Suppe zu beginnen habe. Ohne sie kommt übrigens auch der Sketch „Dinner for One“ nicht aus, die Mulligatawny-Suppe gehört zum alljährlichen Silvester-Menü.

Alle Fleisch- oder Fischgerichte verallgemeinernd „Curry“ zu nennen, wie es die Briten taten, nur weil sie mit einer Sauce aus Zwiebeln, Tomaten und reichlich Gewürzen serviert wurden, darauf wäre kein Einheimischer gekommen. Sprach ein Inder von „kari“ oder „karil“, dann meinte er damit Saucen, die mit einer bestimmten Gewürzmischung zubereitet wurden. Ungeachtet dessen etablierte sich in der englischen Küche bereits im 19. Jahrhundert das „Curry Powder“. Die standardisierten, auf europäische Zungen abgestimmten und bald schon fertig abgepackten Gewürzmischungen entsprachen den Bedürfnissen der britischen Mittelschicht, die kein Küchenpersonal besaßen, um den täglichen Gewürzbedarf frisch zu mahlen und zuzubereiten. Spätestens damit wurde „das Curry“ fester Bestandteil der britischen Küche.

Bildnachweis: Unsplash (Monika Grabkowska)

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