Pyrrolizidinalkaloide (PA) sind natürliche Inhaltsstoffe, die weltweit in rund 6.000 Pflanzenarten, meist in Unkräutern, vorkommen. Mit ihrer Hilfe schützen sich Pflanzen gegen Fraßfeinde. Zu den PA-Pflanzen zählen altbekannte Gesichter wie das Jakobs-Kreuzkraut, Vergissmeinnicht, Huflattich oder Lungenkraut. PA wirkt in hohen Dosen toxisch auf die Leber und erwies sich in Tierversuchen teilweise als krebserregend. Die PA-Thematik wurde in den letzten Jahren akut, da Unkräuter – im Zuge eines eingeschränkten Einsatzes chemischer Pflanzenschutzmittel – vermehrt wachsen und als Beikräuter unabsichtlich in die spätere Oregano-Ernte gelangten. Seit einigen Jahren schon befinden sich Kräutertees – und auch Honig – in der Diskussion, bei ihnen stellte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) 2013 erhöhte PA-Dosen fest. „Dabei muss uns bewusst sein, dass durch den hohen PA-Gehalt einiger Unkräuter bereits wenige dieser Pflanzen genügen, um einen ganzen Hektar Nutzpflanzen zu kontaminieren“, erklärt Dr. Martin Einig.
Bislang sind keine Fälle bekannt, bei denen Verbraucher durch den Verzehr handelsüblicher Kräuter oder Gewürze gesundheitlich beeinträchtigt wurden. PA-Grenzwerte für Lebensmittel existieren bisher noch nicht, werden jedoch aktuell auf europäischer Ebene diskutiert. Trotzdem rät das BfR davon ab, PA-belastete Lebensmittel regelmäßig oder in größeren Mengen zu konsumieren. Nach der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) als auch dem BfR sind Verbraucher durch eine kurzfristig hohe PA-Aufnahme nicht akut gefährdet, die gefundenen Gehalte in Lebensmitteln sind sowohl in Deutschland als auch in ganz Europa zu gering. Um mögliche Langzeitwirkungen besser abschätzen zu können, sieht der Fachverband einen dringenden Bedarf an weiteren Studien zur Toxizität der einzelnen PA-Substanzen und zu detaillierteren Verzehrstudien für einzelne Kräuter oder Gewürze. „Klar ist jedoch, dass die Gehalte an PA in Lebensmitteln allgemein so weit wie möglich gesenkt werden müssen. Die Arbeit muss vor der Ernte auf dem Feld gemacht werden. Wenn Sie einen Hektar Kräuter maschinell abgeerntet haben, ist es schlicht nicht mehr möglich, dort eine Handvoll Unkrautpflanzen auszusortieren“, so Einig.
Um in den Ursprungländern der Waren eine verbesserte Feldhygiene zu erreichen, muss im ersten Schritt eine Aufklärung der Landwirte und im zweiten Schritt die systematische Analyse der Rohwaren erfolgen. Circa 90 Prozent des Oregano, der in Deutschland auf den Teller kommt, wächst in der Türkei, produziert von rund 6.000 Kleinbauern, die ihre Ernte gesammelt und über Zwischenhändler vermarkten. „In den Anbaugebieten ist angekommen, dass etwas getan werden muss und die PA-Gehalte sinken müssen“, berichtet der Gewürzexperte. „Seitens der ESA haben sich mehrere Expertengruppen organisiert, die gemeinsam mit Organisationen in den Ursprungsländern aufwendige Minimierungsarbeiten vorantreiben.“
Eine absolute Vermeidung war und ist jedoch, auch nach Aussage des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, nicht möglich. Die natürlich vorkommenden Stoffe geraten zum Teil sogar über heranwehende Blütenpollen unkontrollierbar auf die Äcker. „Deutschland importierte 2017, um einmal eine konkrete Zahl zu nennen, 1.874 Tonnen Oregano“, erklärt Einig, der für die Gewürzindustrie sowohl mit dem deutschen als auch dem türkischen Landwirtschaftsministerium in Kontakt steht. „Von dieser Menge ausgehend stehen für die tägliche Verzehrmenge pro Kopf durchschnittlich 0,065 Gramm pro Person zur Verfügung. Natürlich steht der Schutz des Verbrauchers für unsere Mitgliedsunternehmen an erster Stelle; diese Verzehrmenge ist jedoch so winzig, dass eine akute oder chronische Gefährdung der Konsumenten kaum anzunehmen ist.“ Gleichwohl hat die PA-Analytik für die Unternehmen der Gewürzindustrie einen hohen Stellenwert, was sich auch in den Kosten widerspiegelt; diese belaufen sich für die Untersuchung einer einzelnen Oreganoprobe auf rund 120 Euro.
In Ermangelung konkreter Verzehrmengen wird von Behörden die Gesamtmenge an verzehrten Kräutern zur Berechnung herangezogen. Das gesundheitliche Risiko hält Einig daher oft für überschätzt. „Derartige Mengen an Oregano stehen in Deutschland gar nicht zur Verfügung.“ Überhaupt zähle Oregano hierzulande, im Vergleich zu Schnittlauch, Petersilie oder Basilikum, zu den eher selten konsumierten Küchenkräutern. Trotzdem ist bereits zu beobachten, dass sich die Oregano-Regale in Deutschland leeren. Im Sinne des vorbeugenden Verbraucherschutzes unterstützt der Fachverband der Gewürzindustrie den Lebensmittelverband Deutschland intensiv bei der Entwicklung eines branchenspezifischen Code of Practice der deutschen Lebensmittelwirtschaft, der auf eine Minimierung eingetragener PA-haltiger Unkräuter abzielt. Außerdem beteiligt sich der Fachverband intensiv an einem Forschungsprojekt der Ludwig-Maximilians-Universität in München zu PA-Gehalten in Kräutern und Gewürzen.