Ab Mai beginnt die Hochzeit des Burgundertrüffels – und die von Heinrich Gretzmeier: Ab jetzt finden er und seine Frau Elvira, unterstützt von ihren beiden Suchhunden, wahre „Bodenschätze“. Der Obstbaumeister und Winzer pflanzte schon vor 22 Jahren am Tuniberg im Kaiserstuhl erste Trüffelbäume und jetzt, da er sein Merdinger Weingut an die Kinder abgegeben hat, kann er sich ihnen so richtig widmen. Auf rund sieben Hektar stehen sie da, seine sorgsam gepflegten Eichen, Hainbuchen, Linden, Rotbuchen, Haselnussbäume und -sträucher. Diese Arten – und noch einige mehr – gehen symbiotische Beziehungen mit Trüffelpilzen ein, die an ihren Wurzeln gedeihen. Bis sich die ersten Fruchtkörper unter der Erdoberfläche ausbilden, dauert es rund sieben Jahre, manchmal auch deutlich länger. „Wobei am Ende nur ein Teil der Bäume trägt, kein Mensch weiß, warum“, erklärt der experimentierfreudige Gretzmeier.
Seine Bäume wachsen in kleinen Hainen, die sich in den Weinbergen verteilen, als Laubengänge oder Plantagen. Vor der Pflanzung wurden ihre Wurzeln mit den Sporen des schwarzen Burgundertrüffels, der auch als Sommer- oder Herbsttrüffel bekannt ist, geimpft. Den Ertrag, den sie abwerfen, verkauft Gretzmeier zu 90 Prozent an die Weinkundschaft seiner Kinder oder auch als frisch gebackenen Trüffel-Flammkuchen in der familieneigenen Straußenwirtschaft. Alles in Bio-Qualität.
In kleinen, noch jungen Baumgruppen kultiviert Gretzmeier zudem weiße Frühlingstrüffel, kurz: Borchii, als auch die aromatisch kräftigen und damit hochpreisigen Périgordtrüffel. „Bis vor ein paar Jahren war das gar nicht möglich, der Périgordtrüffel muss es warm haben“, erklärt er und verweist auf den Klimawandel, der den traditionell mediterranen Trüffelregionen zu schaffen macht. Zu heiß darf es dem Edelpilz nicht werden. Auch wenn er grundsätzlich karge, kalkreiche Böden schätzt, die einen hohen ph-Wert aufweisen. Damit er seinen Fruchtkörper ausbilden kann, braucht er auch Feuchtigkeit – genauso wie Champignons oder Pfifferlinge. In den heißen Sommermonaten wässert Gretzmeier deshalb regelmäßig. Der Kaiserstuhl gehört zu den sonnenreichsten Regionen Deutschlands.
So fühlt sich der Burgundertrüffel auch schon 500 Kilometer weiter nördlich wohl: Silke und Henrich Vernhold kultivieren im westfälischen Lippetal gut 2.500 Trüffelbäume auf fünf Hektar. Die Felder ihrer bio-zertifizierten „Trüffelkultur“ bewirtschaftete einst Heinrichs Vater. Da dessen Landwirtschaft zu wenig abwarf, lernte der Sohn Tischler. Heute führt er mit seiner Frau einen Betrieb für Möbelbau – und macht seit 2012 in Trüffel, nebenher.
„Bevor die jungen Bäume in die Erde kamen, haben wir den Acker in einer Bodentiefe von 80 Zentimetern aufgelockert“, erklärt Heinrich Vernhold, „als Waldbewohner fühlen sich Trüffel in durchlässiger Erde wohl.“ Außerdem arbeitete er Kalksplitt ein, den er LKW-weise anfahren ließ. Die kleinen Steinchen, die sich überall auf dem Boden verteilen, werden in den nächsten Jahrzehnten sukzessive ihren Kalk abgeben und damit den pH-Wert des westfälischen Bodens anheben.
Nach all dem Aufwand war die Freude riesengroß, als Familienhund Cara vor drei Jahren ihren ersten Trüffel entdeckte. Besonders Silke Vernhold ist begeistert von der hiesigen Qualität. „Der Pilz verliert, ganz grob gesagt, jeden Tag zehn Prozent seines Aromas. Unsere regionale Ware ist im Vergleich zu Importen aus Italien, die tagelang von einem Zwischenhändler zum nächsten wandern, ungeheuer frisch.“ Ihr Mann nickt: „Wir können am Nachmittag ernten und abends liegt der Trüffel auf dem Teller im Restaurant.“
Oder auch daheim: Denn die Hausherrin ist selbst eine begeisterte Köchin. Sie liebt frische Pasta, über die sie erst ein frisches Eigelb gibt und dann fein geriebenen Burgundertrüffel. Vorher bewahrt sie die edlen Knollen in einer Tupperdose mit rohen Eiern auf oder eingehüllt in Reis. Der Edelpilz gibt sein Aroma freigiebig ab – zum Vorteil für all die Omeletts und Risottos, die anschließend in der Vernhold’schen Küche entstehen.
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