Ein unscheinbarer Flecken Land wurde über Nacht zum Blütenmeer. In Hellviolett. Zu Tausenden sind die Krokusse, im Schein des Vollmonds, aus dem Boden geschossen. Jetzt warten sie auf die ersten Sonnenstrahlen, um ihre kostbaren, tiefroten Narben preiszugeben: den Safran. Stets sind es drei Stempelfäden, manchmal aber, wenn die Blüten einer Knolle ineinanderwachsen, auch fünf – die Prinzessin – oder sechs Narben – die Königin. Lediglich ein bis drei Tage blüht der „mondsüchtige“ Krokus. Hat sich sein Kelch einmal geöffnet, bleibt er es auch in der Nacht.
Damit nicht genug der Besonderheiten: Im Gegensatz zu vielen anderen der rund 230 weltweiten Krokusgewächse blüht der eigenwillige Crocus sativus im Herbst. Erst sprießen die Blätter, etwa vier Wochen später, ab September, folgt die Sprossachse. Rund 30 Safranproduzenten gibt es bereits in Graubünden. Sie haben sich zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen, sie tauschen Erfahrungen aus und kaufen gemeinsam neue Pflanzknollen ein.
Zur Erntezeit sammeln die Schweizer die geöffneten Blüten von Hand, dann trennen sie ihre federleichten Narben ab. Im anschließenden Trocknungsprozess verlieren diese rund 80 Prozent ihres ohnehin geringen Gewichts. Für ein Kilogramm Safran lassen bis zu 200.000 Blüten ihre Stempelfäden. Ihr Gehalt an ätherischen Ölen ist entscheidend für die spätere Qualität. Vor allem der Geruchs- und Geschmacksstoff Safranal verleiht dem Gewürz sein typisches Aroma, das erst mit dem Trocknen entsteht. Nach rund einem Jahr ist es am intensivsten. Dann schmeckt es erdig, harzig, herb, aber auch süß. Sein Duft erinnert an Rosenblüten. Kleinste Mengen genügen, um ein Gericht zu würzen und es goldgelb zu färben.
Neben Graubünden gibt es verschiedene Anbaugebiete in der Schweiz. Denn letztlich ist der Safrankrokus genügsam, mit Geduld und etwas Fingerspitzengefühl lässt er sich auch im eigenen Garten anbauen. Die mehrjährige Knollenpflanze mag gemäßigtes Klima, einen trockenen Sommer mit Temperaturen bis 40 Grad und einen feuchten Winter bis minus 20 Grad. Um den Safrananbau in der Schweiz rentabel zu gestalten, gibt es also weniger botanische als vielmehr wirtschaftliche Hindernisse: Das dortige Lohnniveau ist, verglichen mit den großen Anbaugebieten im Iran oder in Indien, hoch.
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