Man muss kein Romantiker sein, kein Poet, um sich von einem blühenden Bärlauchwald verzaubern zu lassen. Wer mitten in ihm steht, über dem Kopf das lichte Blätterdach der Bäume, unter den Füßen ein dichter Teppich aus satt-grünen Blättern und weißen Sternblüten, der wird stumm vor lauter Staunen. So weit das Auge reicht, überzieht nichts als Bärlauch den frühlingsfrischen Waldboden. Welche Pracht.
Im hellen, feuchten Wald, unter Buchen und anderen Laubbäumen, fühlt sich das hübsche Wildkraut daheim. Mit diesem Habitus ist es eindeutig ein Europäer. Sind die Baumkronen noch kahl, im März und April, treibt das lichtbedürftige Pflänzchen aus. Seine Blüten und Früchte entwickelt es im Mai und Juni, dann, wenn das Blätterdach Schutz verspricht. Kurz darauf verschwindet der Bärlauch, als wäre gar nichts gewesen, im Waldboden, um dort seinen Sommer-, Herbst- und auch Winterschlaf zu halten. Die krautige Pflanze erreicht im Wuchs 20 bis 30 Zentimeter, im Erdreich fußt sie auf einer länglichen Zwiebel. Über sie, aber auch über Samen vermehrt sich der Bärlauch zahlreich, das macht ihn zu einer starken Konkurrenz für andere Waldbewohner.
Das „Allium ursinum“ gehört zur Familie der Zwiebel- und Lauchgewächse, für sie steht das „Allium“. Aber auch der „Ursus“, der Bär, klingt bereits in seinem lateinischen Namen an. Warum? Das ist und bleibt ein Rätsel. Sicher scheint nur, dass die alte Legende, Bären würden sich nach ihrem Winterschlaf an den aromatischen Blättern laben, ins Reich der Märchen gehört. Wobei: Auf dem Speisezettel des Tierreichs steht die Wildpflanze sehr wohl. Kühe etwa haben ihn zum Fressen gern. Sehr zum Leidwesen ihrer Besitzer, denn die Milch, die diese Kühe nach einer anständigen Bärlauch-Mahlzeit geben, besitzt eine unnachahmliche Knoblauchnote. Sie ist schlichtweg ungenießbar.
Das Wildkraut ist – ganz besonders vor der Blüte – reich an Aroma, aber auch an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen. Naturkundler schwören beispielsweise auf seine antibakterielle Wirkungsweise und die Heilkraft seiner schwefelhaltigen ätherischen Öle. „Herba salutaris“, Gesundheitskraut, nannten ihn die Römer.
Für die Küche eignen sich die jungen, waldfrisch geernteten Blätter. Sie harmonieren mit allem, was auch dem großen Bruder, dem Knoblauch, gefällt. Klein geschnitten brillieren sie geradezu in Frischkäse, in Kräuterquark und -butter, Gemüse-Dips, Salat-Dressings, Pestos und Pasta- Saucen. Bärlauch ist ein starkes Gewürz und braucht Platz für seinen Auftritt. Wem sein Aroma zu intensiv wird, kann die Blätter kurz in heißem Wasser balancieren, das mildert.
Bei so viel Gaumenfreude, gepaart mit Augenschmaus, kann auch die Touristikbranche dem Bärlauch kaum widerstehen: Kochkurse, Seminare mit Verkostungen, gemeinsame Erntetage und geführte Wanderungen stehen in den Bärlauch-Hochburgen alljährlich auf dem Programm. Während die delikaten Blätter in der Mitte und im Süden Deutschlands munter gedeihen, sind sie im Norden aber nur selten anzutreffen. In Brandenburg oder Hamburg steht die Wildpflanze gar auf der Roten Liste.
Zum guten Schluss jeder Bärlauch-Geschichte muss es nun noch einen Sicherheitshinweis geben. Denn wer Bärlauch sagt, muss Maiglöckchen denken: In jedem Jahr verwechseln Kräutersammler die beiden Pflanzen. Die Blätter der Maiglöckchen aber sind hochgiftig, ebenso wie die der Herbstzeitlosen, die auch zur Verwechselung bereitsteht. Doch keine Angst, der Sicherheitscheck ist ganz einfach: Wer ein echtes Bärlauchblatt zwischen den Fingern zerreibt, riecht eindeutig und sofort: Knoblauch. Taucht dieser Duft nicht auf, dann ist es ratsam, an anderer Stelle weiterzusuchen.