Bourbon-Vanille: Das ist zartschmelzende Eiscreme im Sommer, das Kipferl auf dem Weihnachtsteller, der krönende Abschluss einer jeden Panna Cotta – und der verführerischste Exportschlager, den Madagaskar zu bieten hat.
Straffe und glatte Haut sucht man bei ihr vergebens. Vielmehr betört sie durch ihre Charakterfalten, ihre schlanke Linie und braun schimmernde Hülle: die Vanilleschote. Woher die Frucht einer kletternden Orchideenart stammt, verrät meist schon ihr Duft. So erinnert die madagassische Vanille an Tabak, Leder oder Oliven. Mit einem kräftig-blumigen Aroma tritt die tahitische Vanille auf – so stark, dass sie hauptsächlich in Kosmetika Verwendung findet. Dezent weich im Aroma präsentiert sich dagegen die mexikanische Sorte, die Urschote sozusagen, die meist in amerikanischen Softdrinks und Eisspezialitäten landet.
Obwohl die madagassische Gewürzvanilleproduktion knapp 50 Prozent des Weltbedarfs deckt, stammt die Pflanze ursprünglich aus Südamerika. Schon die Azteken würzten ihre Schokolade mit ihr. Im Gepäck spanischer Abenteurer gelangte die Vanille im 16. Jahrhundert nach Europa, bis die Franzosen sie in wärmere Gefilde verpflanzten: auf die Insel Bourbon (Réunion) etwa, die Komoren oder Seychellen. Und nach Madagaskar. Den Franzosen hat sie auch ihren königlichen Titel zu verdanken: Bourbon-Vanille.
Echte Handarbeit
Dabei wäre das koloniale Geschäft mit der Bourbon-Vanille fast gescheitert. Die Pflanze kletterte an madagassischen Bäumen zwar hoch hinaus, die er-sehnten Früchte blieben aber aus. Denn wofür in Mexiko Kolibri und Biene zuständig waren, die Bestäubung, fand sich auf Madagaskar kein Ersatz. Bis 1836. Mit Kakteen- und Bambusstacheln ausgestattet, bestäuben seitdem flinke Arbeiterinnen während der Regenzeit im November die madagassische Vanilla planifolia. Bis zu 1.500 Blüten schafft eine gute Helferin täglich. Das hat seinen Preis: Vanille zählt nach Safran zu den teuersten Gewürzen der Welt. Auch wer einen guten Riecher hat, besitzt einen krisensicheren Job: Vanilleschnüffler entscheiden darüber, welche Kapseln ihre Reise nach Europa antreten. Schließlich wird die Bourbon-Vanille von allen Vanillesorten am höchsten bewertet.
Nach acht Monaten werden die Schoten geerntet. Auf ein heißes Wasserbad folgen Schwitzkuren und Trockenzeiten. Durch den Gärprozess setzt sich im Inneren das typische Vanillin frei. Und dieses Aroma ist nicht nur in Süßspeisen beliebt. Auch Fisch, Fleisch und Wurst lassen sich damit veredeln: Kalbsleberwurst etwa.
Land der Gegensätze
Das knapp 590.000 Quadratmeter große Eiland mit seinem tropischen Klima verwöhnt nicht nur die Nase, sondern auch die Augen. Mit weißen Sandstränden und artenreichen Korallenriffen auf der einen, hügeligen Berglandschaften und einem Hochplateau auf der anderen Seite. Und irgendwo dazwischen: die einzigartige Tier- und Pflanzenwelt. Nur hier leben die Lemuren, eine Feuchtnasenaffenart. Nur hier gedeihen gleich sieben verschiedene Affenbrotbäume, die Baobabs. Kein Wunder, dass die Madagassen ein stolzes Volk sind. Die Einzigartigkeit ihrer fruchtbaren Insel gestattet es ihnen.
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