Mit Zertifikat: sichere Lebensmittel

Neben der amtlichen Lebensmittelüberwachung existieren in Deutschland privatwirtschaftliche Zertifizierungsverfahren, die für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit geradestehen. Die meisten Gewürzhersteller produzieren gemäß IFS Food (International Featured Standards Food) oder FSSC 22000 (Food Safety System Certification 22000). Was es mit den beiden Standards auf sich hat, erklärt Dr. Andreas Daxenberger, Auditor beim TÜV SÜD.
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Worin unterscheiden sich die Zertifizierungsstandards IFS Food oder FSSC 22000? International anerkannt sind sie ja beide.

„Das stimmt, in ihren über 200 Food-Safety-Kriterien gleichen sich die zwei auch sehr. Die Unterschiede finden sich eher in formalen oder kommunikativen Aspekten. Der IFS Food entstand beispielsweise auf Initiative des deutschen Einzelhandels, dementsprechend favorisieren ihn Einzelhändler nach wie vor und fordern speziell diesen Standard bei ihren Lieferanten ein. Sollte es zu einem schwerwiegenden Vorfall kommen, gibt es einen direkten Kommunikationsweg über das IFS Management zur betroffenen Zertifizierungsstelle, also etwa zu uns. Außerdem sind alle ausgestellten IFS Food-Zertifikate über eine Datenbank, auf die die Einzelhändler Zugriff haben, einsehbar.“ Wie verhält sich die Verteilung? Welcher Standard ist wie stark nachgefragt? „Der TÜV SÜD führt rund 1.000 Food Safety Audits pro Jahr in Deutschland durch. Davon entfällt gut die Hälfte auf den IFS Food. In letzter Zeit zog der FSSC 22000 deutlich nach, er liegt aktuell bei etwa 40 Prozent. Gerade Unternehmen, die nicht an den Einzelhandel liefern, fragen den FSSC 22000 nach. Er spricht vor allem Lieferanten für Halbfertigerzeugnisse an.“

Was passiert bei einem Audit?

„Wir Auditoren begehen den gesamten Betrieb mit sämtlichen Räumlichkeiten. Wir checken beispielsweise die Produktionsprozesse und das Personalwesen, die Lieferkette und die Lebensmittelsicherheit. Wir begutachten die Hygiene, die Sauberkeit der Maschinen oder überprüfen anhand von Produktstichproben die lebensmittelrechtliche Kennzeichnung. Bei einem Audit kommen die unterschiedlichsten Methoden zum Zuge, etwa der Cross Check: Fällt beispielsweise eine Anlage auf, die aufgrund eines Maschinendefekts gesperrt wurde, dann prüfen wir, ob entsprechende Reparaturhinweise an die Technikabteilung gegeben wurden. Am Ende muss alles zusammenpassen, Hand und Fuß haben. Der IFS Food und der FSSC 22000 verlaufen beide nach streng standardisierten Prüf- und Bewertungskriterien.“

Wie häufig kommt es bei einem Audit zu Abweichungen?

„Ehrlich gesagt, ist es noch nie vorgekommen, dass ich nach zwei oder drei Tagen, so lange dauert ein Audit, aus einem Betrieb kam und nichts zu beanstanden hatte. Aber nur selten sind es Punkte, die direkt auf die Lebensmittelsicherheit einzahlen. Wir werfen den Blick auf 1.000 unterschiedliche Details und bei vielen geht es um Prophylaxe. Da kommt im Betriebsalltag auch mal eine Abweichung vor.“

Haben Sie Beispiele?

„Beispielsweise wurde vergessen, die Teilnehmer der letzten Schulung zu protokollieren, eine Reklamation ist liegen geblieben oder man hat eine Maschine behelfsmäßig repariert und dann ist es beim Provisorium geblieben. Meist sind es punktuelle Schwächen, die nach vier Wochen nachweislich behoben sein müssen. Manchmal lassen auch die Gebäude nach, die Lebensmittelindustrie arbeitet ja mit schweren Lasten und scharfen Reinigungsmitteln, da kann es zu Schäden an Böden, Decken oder Wänden kommen. Steht ein Unternehmer länger unter finanziellem Druck, kann die bauliche Substanz innerhalb von zwei oder drei Jahren schon erheblich nachlassen.“

In welchen Abständen finden die Audits eigentlich statt?

„Jährlich, wobei wir alle drei Jahre unangekündigt vorbeikommen. Das gilt für den FSSC 22000 genauso wie für den IFS Food.“

Im Ernstfall kann es nach einem Audit zum Zertifikatsentzug kommen. Wann beispielsweise?

„Falsch gekennzeichnete Allergene können dazu führen, dass ein Zertifikat entzogen wird, oder auch ein nicht ernst genommenes Listerienmonitoring. Bei ihm geht es um mikrobiologische Risiken. Grundsätzlich warne ich auch davor, Nichtkonformitäten zu bagatellisieren. Importierte Rohwaren, die mit Ethylenoxid begast wurden, um Schimmelpilze oder Bakterien zu bekämpfen, wären so ein Beispiel. Ethylenoxid ist in der EU verboten und da gibt es auch nichts herunterzuspielen. Der Zertifikatsentzug führt dazu, dass andere Unternehmer, etwa Einzelhändler, die produzierten Waren nicht mehr abnehmen und weiterverkaufen – ein echtes Problem für den Hersteller.“

Wie ist es hierzulande insgesamt um die Lebensmittelsicherheit und den damit verbundenen Verbraucherschutz bestellt?

„Ich bin überzeugt, dass wir ein hohes Maß an Sicherheit besitzen. Wir müssen aber wachsam bleiben: Das ist kein Zustand, der von allein so bleibt. Glücklicherweise entwickeln die deutschen Unternehmen ein immer größeres Bewusstsein für den Nutzen und die Notwendigkeit von Qualitäts- und Food-Safety Managementsystemen, sie sind Teil des unternehmerischen Risikomanagements. Wenn Produkte nicht in Ordnung sind und sich Berichte darüber viral verbreiten, ist das für Unternehmen nicht mehr zu steuern. In einem Shitstorm liegt ein hohes betriebliches Risiko.“

Hat sich Ihr eigenes Essverhalten eigentlich durch Ihren Beruf verändert?

„Überhaupt nicht, ich esse alles. Durch meinen Job erlebe ich ja selbst, wie gewissenhaft und ordentlich die meisten Unternehmen arbeiten. Für mich persönlich habe ich keine Sorge, betrogen oder gefährdet zu werden.“

Wie ist Ihre Bilanz nach zwei Jahrzehnten als Auditor für Lebensmittelsicherheit?

„Die Lebensmittelbranche hat sich in den letzten Jahren enorm verbessert und weiterentwickelt, ganz anders als das die Medien oftmals vermitteln. Das beweist sich beispielsweise an der wachsenden Zahl von Rückrufen: Sie besagt nicht, dass mehr Fehler passieren, sie belegt, dass Fehler offen kommuniziert und nicht verheimlicht werden. Das ist ein echter Fortschritt.“ 

Dr. Andreas Daxenberger ist seit 22 Jahren Auditor für Lebensmittelsicherheit bei TÜV SÜD. Rund 100 Tage pro Jahr verbringt der Lebensmittelchemiker “draußen” bei den Unternehmen der Lebensmittelindustrie, auch bei Gewürzherstellern. In seiner übrigen Arbeitszeit treibt er hausintern die Geschäftsentwicklung Food voran.

Bildnachweis: TÜV SÜD (Alex Dietrich)

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