Wir schreiben das Jahr 1930. Im Stadtviertel nahe der Mont-Blanc- Brücke schlägt das Herz von Genf. Madame et Monsieur Boubier bewirtschaften hier das „Restaurant du Coq d’Or“. Um ihren Gästen etwas Besonderes zu bieten, kreiert das tüchtige Paar eine luftig aufgeschlagene Kräuterbutter, die es wahrlich in sich hat: Sardellen, Senf, Kapern, klein geschnittene Schalotten, ein Spritzer Zitrone, Tomatenpüree – vielleicht –, Salz und Pfeffer – gewiss. Jede Menge Kräuter: Thymian, Majoran, Rosmarin, allen voran Estragon. Dazu eine Prise Currypulver – oder Paprikapulver – und ein gewagten Schuss Cognac. Oder war es Madeira? Oder Worcestershiresauce? Man weiß es nicht. Die genaue Rezeptur wurde zu einem Geheimnis, das das Ehepaar Boubier in trauter Zweisamkeit hütete.
Bis zu dem Tag jedenfalls, an dem sich – wie in jeder guten Geschichte – die Tochter des Hauses verliebte. Denn nahe der Mont- Blanc-Brücke, im Herzen der Stadt, gab es noch ein Restaurant: das „Café de Paris“. Hier servierte ein eigenwilliger Chef, Arthur-François Dumont, nicht mehr als ein einziges warmes Gericht, das er aus Rinderrippen schnitt: ein nobles Entrecôte. Begleitet von grünem Salat und länglich schmalen Pommes Allumettes.
Als besagte Mademoiselle Boubier ihren Arthur-François ehelichte, bekam sie eine kostbare Mitgift: die in Genf bereits populär gewordene Rezeptur ihrer Eltern, die als Kräuterbutter „à la Café de Paris“ alsbald internationale Karriere machte. Zerfloss sie doch so unnachahmlich köstlich auf dem Entrecôte des Gatten, dass sie in kürzester Zeit – sprichwörtlich – in aller Munde war.
Heute wird mit Café de Paris dreierlei tituliert: eine pikant abgeschmeckte, rötlich-braune Kräuterbutter, eine Gewürzmischung, die sich in Dips oder Gratins gut macht, und eine Sauce, die immer noch gerne zu Rindfleisch serviert wird. Die Originalrezeptur allerdings kennt bis heute niemand. Sie ist und bleibt ein streng gehütetes Geheimnis und ist immer noch im Besitz des Café de Paris in Genf.
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