Eine indische Hausfrau beginnt stets mit den Gewürzen: Fängt sie an zu kochen, erhitzt sie zuerst eine Pfanne und entlockt den Spezereien ihr Röstaroma. Gerade beim Kreuzkümmel lohnt es sich, es ihr gleichzutun: Einfach die ganzen Samen in einer fettfreien Pfanne bräunen, bis ihnen ein herrlich orientalischer Duft entströmt. Danach, etwas abgekühlt, im Mörser zerstoßen. Ebenso kann das frisch gemahlene Cumin, so der Zweitname, mit etwas Fett in der Pfanne erhitzt werden – auch dann entfacht sich ein wahres Feuerwerk der Aromen.
Damit sind wir mitten in der indischen Küche angekommen. Für ihre zahllosen Currymischungen liefert Kreuzkümmel den geschmacklichen Grundstock. Er versteht sich mit vielen Gewürzen, ganz besonders aber mit Kurkuma und Ingwer. Auch mit Knoblauch und Koriander, dem frischen Kraut ebenso wie den getrockneten Samen, verbindet ihn eine aromatische Freundschaft. Cumin würzt Currys aus Fleisch und Fisch ebenso wie Linsengerichte, Bohnen- und Kichererbsenspeisen, wobei er bei Letzteren auch für eine gute Verträglichkeit sorgt. In salzigen Lassi-Varianten verträgt sich Kreuzkümmel bestens mit Joghurt und ist, summa summarum, wie gemacht für die indische Küche.
Damit steht der Cuminum cyminum in einer gänzlich anderen Küchentradition als der eher bodenständige Kümmel, Carum carvi, der einen vollkommen anderen Geschmack aufweist. Beide gehören zwar zur Familie der Doldenblütler, bevorzugen aber ganz andere Anbaubedingungen: Der heimische Kümmel schätzt das maritime Klima der Nord- und Ostsee, der weltgewandte Kreuzkümmel dagegen braucht zumindest mediterrane Wärme.
Indien zählt – neben Iran, Indonesien, China und den Ländern des südlichen Mittelmeerraums – zu den heutigen Hauptanbaugebieten des Kreuzkümmels. Die einjährige Gewürzpflanze erreicht eine Höhe von bis zu 50 Zentimetern und bildet helle Blüten in Doldenform. Sind ihre Samen reif, wird die komplette Pflanze geerntet, an der Sonne getrocknet und schließlich gedroschen. Die schlanken, leicht gebogenen und längs gerillten Früchte, die übrig bleiben, besitzen ein unverwechselbar intensives Aroma, das auf der Zunge herber und schärfer ausfällt, als ihr Duft vermuten lässt. Für beides ausschlaggebend ist das ätherische, leicht flüchtige Öl des Kreuzkümmels, es wird wesentlich bestimmt durch den Geschmacksstoff Cuminal, der auch in Parfums zum Einsatz kommt.
Seinen historischen Ursprung nimmt die Gewürz- und Heilpflanze vermutlich im südlichen Mittelmeerraum. Die Sumerer kultivierten den Kreuzkümmel bereits 3.000 v. Chr. Von ihrem Zweistromland aus eroberte er die großen Kulturen der Antike: Ägypten, Griechenland, das Römische Reich. Danach verstreute sich der Kreuzkümmel über die ganze Welt: mexikanisches Chili con Carne, arabische Falafel, türkische Köfte, Humus aus Israel, marokkanische Eintopfgerichte aus dem Tajine-Tontopf – die Küchen vieler Länder setzen heute auf die geschmacksintensiven Samen. Sie gehören in viele traditionelle Gewürzmischungen, wie das nordafrikanische Harissa oder Ras el-Hanout ebenso wie das indische Garam Masala und Panch Phoron. Ihre Rezepte erzählen von der langen kulinarischen Historie des aromatischen Weltenbummlers.
Dieser besitzt übrigens einen kleinen Bruder, den Schwarzen Kreuzkümmel, nicht zu verwechseln mit Schwarzkümmel. Er ist in der Küche der Mongolen zu Hause, seine Samen sind länger und schlanker als die des gewöhnlichen Cumins. Da die wilde Pflanze nur in den unzugänglichen Gebirgsregionen Zentralasiens wächst, zählt sie zu den seltenen Exoten im Gewürzregal.